Mein Kater ist - wie jede Katze - etwas ganz Besonderes. Darum wird es Zeit, ihm ein Denkmal zu setzen

 

Anmerkung: diesen Text habe ich im März 2011 verfasst und online gestellt, doch da er vor kurzem aufgrund "null Mehrwert für den Google-Leser" gesperrt wurde, veröffentliche ich ihn hier.

Mittlerweile ist Joschi zu seinem Kumpel-Knitz gegangen. Im Januar 2012 konnte er nicht mehr alleine die Treppe bewältigen und verweigerte von einem Tag auf den anderen sein heiß geliebtes Fressen. Vielleicht wussten wir da schon, dass er Adieu sagen würde... zehn Tage lang hat sein Abschied gedauert. 

Es war nicht schön, und es gab viele Tränen (die manchmal immer noch fließen) aber es war eine wertvolle Erfahrung für uns alle. Wir hatten einfach das Gefühl, dass wir ihm diese Zeit geben sollten (und auch wollten), weil er uns so lange so viel Freude gemacht hat. Er wurde 22 Jahre alt.

 

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Gerade sitzt er neben mir - aufmerksam die Öhrchen gespitzt (die im Verhältnis zu seinem mächtigen Kopf wirklich Öhrchen sind), und wartet ungewohnt geduldig auf sein Fresschen. Das Beste ist ihm gerade gut genug. Allerdings gab es Zeiten, da war er wählerischer. Inzwischen ist er ein bisschen altersweise geworden.

Im April erreicht er das stolze Alter von 21 Jahren. Zwei davon habe ich nicht mitbekommen, und bei aller Schmeichelei und Neugier lässt er sich nicht dazu herab, mir zu erzählen, wo er in der Zeit gewesen ist. Aber von vorne.


 

Im Winter 1990 zog er bei uns ein, da war er bereits ein halbes Jahr alt. Und eine Nervensäge. Heimwehgeplagt hat er uns mit seinem greinenden Gejammer an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ein paar Tage später, in denen keine Gemütsveränderung eingetreten war, rief ich den Vorbesitzer an und bat ihn, ihn zurückzunehmen. Die barsche Auskunft: "Dann erschieß' ich ihn." 

Hergeben kam jetzt freilich nicht mehr in Frage, und tatsächlich gewöhnte sich Joschi an sein neues Heim, in dem er einen eigenen, großen Garten als Revier hatte und unbeschwert herumstromerte, bis er eines Tages unauffindbar verschwand.

Die Ratlosigkeit darüber und die Trauer waren groß, und ich schwor mir, keine Katze mehr haben zu wollen.

Doch wenig später erweichte ein vier Wochen altes Katzenbaby mein Herz. Schwarzweiß, verschnupft, und viel zu mickrig, um schon auf eigenen Tätzchen zu stehen. Sein Bruder war auf dem Bauerhof von einem nicht metaphorischen Pferdefuß erwischt worden, und damit dem Kleinen nicht dasselbe Schicksal blühte, schickte man ihn zu mir.

 

 

Ich liebte meinen Columbus heiß und innig. Er war ein Charakterkopf. Anders als der Joschi, aber trotzdem liebenswert. Ein bisschen durchtrieben, störrisch, nicht so verschmust, manchmal kratzbürstig, aber auch sooo süß. Sein Schnurren, das wie das Gurren einer Taube klang und seinen gesamten drahtigen Körper zum Vibrieren gebracht hat, ist mir immer noch im Ohr.

Als er zwei war, tauchte Joschi wieder auf. Nächtelang haben uns die Gefechte der beiden Kater um den Schlaf gebracht, bis Joschi die Flucht über das Dach in den ausgebauten Speicher gelang und er sich sofort wieder zuhause fühlte. Klugerweise überließ er unserem "Knitz" die Chefposition. Es war goldig zu sehen, mit welcher Gutmütigkeit er seine Eifersüchteleien hinnahm, sich auflauern ließ, um eine "Watsch'n" abzufangen und dann doch heimlich die Nähe gesucht hat. 

Wenn Knitz nichtsahnend auf dem Sofa schlief, dauerte es nie lang, bis Joschi daneben lag. Wirkliche Freunde sind beide nie geworden, und wir haben sie scherzhaft insgeheim als Mr. Lemmon und Mr. Matthau nach dem "Odd Couple" benannt.

Selbst umgezogen sind sie zu zweit. Und auch zusammen abgehauen, aus Sehnsucht nach dem alten Haus. Wie oft wir sie abgeholt haben, weil die ehemaligen Nachbarn anriefen, um mitzuteilen, dass der Getigerte und der Schwarzweiße wieder mal im Garten toben, weiß ich gar nicht mehr. Wenn es hart auf hart bzw. um die Verteidigung des Reviers ging, haben die beiden übrigens zusammengehalten. Ich wurde zufällig mal Zeuge, als der Nachbarskater angriffslustig wurde. Der große Joschi hat sich hinter dem kleinen Knitz versteckt, um ihm gegebenenfalls zu Hilfe zu eilen. Tricktechnisch und kampftaktisch war Knitz ohnehin der Star.

Im Februar 2005 ging unser Knitz für die Nacht hinaus wie immer. Morgens kam er nicht mehr. Ich denke manchmal, dass er vielleicht wie der Joschi irgendwann wiederkommt. Er hatte ein schönes Leben, und mit seinen fast dreizehn Jahren überlebte er die Prophezeiung des Tierarztes um zwölf.

 

 

Mein Bärle genießt seinen Ruhestand.

Er erregt die Bewunderung von Besuchern, wenn ich ihnen sein wahres Alter mitteile ("Was?! So alt schon?"), und ich mag gar nicht darüber nachdenken, was sein wird, wenn er mal seinem Kumpel folgt, der wahrscheinlich doch in den Katzenhimmel eingetreten ist. Ich hoffe ja immer noch, dass es einen Himmel gibt für alle, Mensch und Tier, wo ich meinen Knitz irgendwann einmal wiedersehe.

Bis dahin verwöhne ich meinen Methusalem und entsorge sogar mit Freuden seine Häufchen, die er seit ein paar Jahren brav ins Katzenklo setzt. Schließlich gehört sich im hohen Alter ein wenig Bequemlichkeit. Obwohl gelegentlich immer noch sein Spieltrieb durchbricht, merkt man nun doch, dass er ein gesetzter, gestandener Herr ist. Meist sitzt er in seinem Opa-Sessel, wo er sich manchmal aus Übermut in einen Löwen verwandelt.

Und wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass er noch mindestens doppelt so alt wird.


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